Mit dem Inkrafttreten des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 149/2022 (sog. "Cartabia-Reform") hat auch das zivilrechtliche Verfahren vor dem Friedensrichter erhebliche Neuerungen erfahren.
1. Einleitende Überlegungen
Die Änderungen am Ritus der Verfahren vor dem Friedensgericht betreffen ein immer breiteres Spektrum zivilrechtlicher Streitigkeiten, da die Grenzen der Zuständigkeit des Friedensrichters wertmäßig ständig erweitert werden. So wurde beispielsweise die Wertgrenze für Rechtsstreitigkeiten betreffend bewegliche Sachen von 5.000,00 € auf 10.000,00 € angehoben; dies ist jedoch nur der erste Schritt einer weitaus bedeutenderen Ausweitung der Zuständigkeit (auch gegenstandsmäßig) des Friedensgerichts, welches mit der Reform der ehrenamtlichen Richterschaft (Gesetzesdekret Nr. 116/2017) einhergeht und im November 2025 in Kraft treten wird.
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2. Der neue Ritus des Zivilprozesses vor dem Friedensrichter
Der neue Zivilprozess am Friedensgericht ist nunmehr dem vereinfachten Verfahren (vor dem ordentlichen Gericht) gemäß Artikel 281-decies ff. ZPO nachgebildet, wobei jedoch einige weitere verfahrensrechtliche Vereinfachungen eingeführt wurden.
Die wichtigsten Änderungen sind in aller Knappheit folgende:
► Einleitungsphase:
Die vielleicht auffälligste Änderung betrifft die Form es einleitenden Schriftsatzes, welcher nun nicht mehr eine Klageschrift, sondern ein Rekurs ist; dessen Inhalt jedoch im Hinblick auf die essenziell notwendigen Elemente (Angabe des Richters und der Parteien sowie Darstellung des Sachverhalts und des Gegenstands des Anspruchs) keine besonderen Neuerungen gegenüber der Vergangenheit aufweist.
Nach Einreichung der Klageschrift setzt der beauftragte Richter mittels den Termin der Erstverhandlung (innerhalb von fünf Tagen nach Einreichung des Rekurses) sowie die Frist für das Erscheinen des Beklagten fest (10 zehn Tage vor der Erstverhandlung).
Das Dekret (und der entsprechende Rekurs) muss der Kläger dem Beklagten mindestens vierzig Tage (bzw. sechzig Tage bei Zustellung im Ausland) vor dem Verhandlungstermin zustellen, mitsamt anschließender Hinterlegung des zugestellten Dekrets samt Rekurs zum Zwecke der Einlassung.
Dem Beklagten obliegt es dann, innerhalb der oben genannten Fristen seinen Einlassungs- und Antwortschriftsatz zu hinterlegen, mit welchem er seine Verteidigung darlegt, spezirisch zu den Ausführungen des Klägers Stellung nimmt, seine Beweismittel vorbringt sowie – bei sonstigem Verfall – die Einwände im engeren Sinne, die Widerklagen und etwaige Streitverkündungsanträge formulieren muss.
► Erstverhandlung (samt Schlichtungsversuch) sowie Behandlungs- und Beweisaufnahmephase (falls notwendig):
Bei der Erstverhandlung muss der Richter einen Schlichtungsversuch unternehmen. Scheitert dieser, wird mit der Behandlung der Streitsache und der Beweisaufnahme gemäß den Bestimmungen des vereinfachten Verfahrens fortgefahren. In aller Knappheit: Der Kläger kann die Erlaubnis zur Streitverkündung an Dritte beantragen, wenn sich die Notwendigkeit aus der Verteidigung des Beklagten ergibt, und alle Parteien können die Einwände im engeren Sinne sowie etwaige Widerklagen vorbringen, sofern sie durch die Widerklage oder die Einwände notwendig geworden sind. Auf Antrag der Parteien kann der Friedensrichter (gemäß dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nur bei Vorliegen eines berechtigten Grundes, weshalb es ratsam wäre, die Beweisanträge bereits im jeweiligen ersten Schriftsatz vorzubringen) den Parteien eine Frist von höchstens zwanzig Tagen zur Präzisierung und Änderung der Anträge, Einwände und Schlussanträge, zur Angabe der Beweismittel und zur Vorlage von Dokumente sowie eine weitere Frist von höchstens zehn Tagen für Erwiderungen und Gegenbeweise gewähren.
► Entscheidungsphase
Die anschließende Entscheidungsphase entspricht im Wesentlichen dem Modell der mündlichen Verhandlung vor dem Landesgericht, wie diese in Artikel 281-sexies ZPO geregelt ist. Nachdem die Parteien ihre Schlussanträge präzisiert haben, lädt der Richter in derselben Verhandlung (oder – auf Antrag der Parteien – in einer anderen Verhandlung) die Parteien zur mündlichen Diskussion der Rechtssache ein. Am Ende der Diskussion kann der Richter entweder sofort das Urteil verkünden, indem er Entscheidungsspruch sowie die Zusammenfassung der sachlichen und rechtlichen Gründe für selbige verliest, oder sich vorbehalten, das Urteil innerhalb von fünfzehn Tagen zu hinterlegen.
3. Die Digitalisierung des Verfahrens am Friedensgericht
Abschließend sei noch angemerkt, dass die Cartabia-Reform (nebst der Ausweitung der Zuständigkeit des Friedensgerichts sowie der Einführung eines neuen Zivilrecht-Ritus für die Verfahren vor selbigem) weiters die Einführung des sog. telematschen Zivilprozess auch an den Friedensgerichten vorsieht.
Für Verfahren, die ab Juli 2023 eingeleitet werden (vorausgesetzt, die erforderliche IT-Infrastruktur konnte bis zu diesem Zeitpunkt errichtet werden), soll nämlich die Hinterlegung von Schriftsätzen und die Einsichtnahme in selbige (und in die Verfügungen des Richters) ausschließlich auf telematischem Wege erfolgen, wie dies bereits bei Verfahren den Landesgerichten und vor den Berufungsgerichten der Fall ist.