Die Kanzlei ist national und international hauptsächlich im Zivil- und im Handelsrecht sowie in einzelnen Bereichen des Verwaltungs- und des Strafrechts tätig.

Die Größe der Kanzlei ermöglicht einen fortlaufenden persönlichen Kontakt und die Bearbeitung Ihrer Anliegen mit bzw. durch den jeweils von Ihnen beauftragten Rechtsanwalt. Das Vertrauen der Kunden ist uns wichtig und daran wollen wir festhalten.

Gerne vertreten wir Ihre Ansprüche und Interessen vor allen italienischen und europäischen Gerichtsinstanzen, in Mediations- und Schlichtungsverfahren oder außergerichtlich, sowohl als Privatperson wie auch im Rahmen Ihrer beruflichen und unternehmerischen Tätigkeit.

Die Betreuung kann hierbei je nach Wunsch des Mandanten in Deutsch oder in Italienisch oder auch in Englisch erfolgen.

Unsere Tätigkeitsbereiche

Als überbegriffliche, nicht erschöpfende Auflistung der einzelnen Bereiche, in welchen wir unsere Dienstleistungen anbieten, können gelten:

Zivilrecht
Ausarbeitung, Überprüfung und Umsetzung von Verträgen; vertragliche und außervertragliche Haftung; Erbrecht; Familienrecht; Gesellschaftsrecht; Realrechte und Besitzschutz; Arbeitsrecht; Lizenz- und Urheberrechte.
Verwaltungsrecht
Anfechtung von Bußgeldbescheiden wegen Verletzung der Straßenverkehrsordnung; Anfechtung von Entscheidungen öffentlicher Verwaltungsstrukturen und Schadenersatzforderungen gegenüber öffentlichen Körperschaften; Regelung der sog. geschlossenen Höfe.
Strafrecht
Fahrlässige Tötung oder Körperverletzung im Straßenverkehr, im Bereich der Arbeitssicherheit, der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit oder im Bereich der Freizeitgestaltung; Vermögensdelikte; Verletzung der Persönlichkeitsrechte; Schadensersatzforderungen aufgrund einer Straftat und im Strafverfahren

Die Mitarbeiter unserer Kanzlei

RA Dr. Christoph Vescoli Email

  • geboren 1971 in Bozen
  • Anwalt seit Mai 2001
  • ausgebildeter Mediator bei der Handelskammer Bozen
  • zugelassen bei allen italienischen Gerichtshöfen

RA Dr. Hansjörg Hofer Email

  • geboren 1985 in Bozen
  • Forschungsdoktorat (PhD) an der Universität Innsbruck im Jahre 2014
  • Anwalt seit Juni 2016

Andrea Domanegg Email

  • geboren 1985 in Bozen
  • Sekretärin unserer Kanzlei seit 2004

News

DIE REFORM DER VERMIETUNG VON FAHRZEUGEN IM GÜTERKRAFTVERKEHR OHNE FAHRER („LOCAZIONE SENZA CONDUCENTE“ GEMÄSS ART. 84 STVO)

19.12.2023

Die EU-Richtlinie Nr. 738/2022 vom 06.04.2022 („Verwendung von ohne Fahrer gemieteten Fahrzeugen im Güterkraftverkehr“) hatte es sich zum erklärten Ziel gesetzt, die Regeln zur Anmietung von in einem anderen EU-Mitgliedsstaat immatrikulierten Fahrzeugen (ohne Fahrer) zu vereinfachen und zu vereinheitlichen.

Die Umsetzung der genannten Richtlinie erfolgte in Italien durch Gesetzesdekret Nr. 69/2023 vom 16.06.2023 (mit Änderungen umgewandelt durch Gesetz Nr. 103/2023 vom 10.08.2023), mit welchem hauptsächlich der Art. 84 der Straßenverkehrsordnung (StVO) novelliert wurde.

Die entsprechenden Vorschriften auf nationaler Ebene betreffen nun allerdings direkt nur den Themenbereich der Anmietung von nicht in Italien zugelassenen Fahrzeugen. In diesem Beitrag soll daher zudem noch der Frage nachgegangen werden, ob die Novelle auch Auswirkungen auf die generellen Vorschriften im Bereich des gewerblichen Güterverkehrs hat, und zwar primär, ob dadurch auch die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/1974 (Regelung des Güterverkehrs auf der Straße) zumindest implizit zum Teil aufgehoben bzw. abgeändert wurden. 

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1. Die Problematik der nationalen Transporte mit ausländischen Anhängern

Im Zuge der Durchführung von Transporten auf italienischem Staatsgebiet, also von nationalen Transporten, wird seitens der Polizeibehörden seit jeher das Führen eines im Ausland immatrikulierten Anhängers durch ein italienisches Transportunternehmen nach Art. 46 des G. Nr. 298/1974 mit einer Geldstrafe von € 4.130,00 und der Stilllegung der Fahrzeuge für 3 Monate sanktioniert.

Dies deshalb, weil die zuständigen Behörden folgende Auffassung vertraten:

Laut Art. 41 des Gesetzes Nr. 298/1974 (in Verbindung mit Art. 88 StVO) dürfe an eine Zugmaschine eines italienischen Frächters bei nationalen Transporten nicht ein im Ausland (z.B. Deutschland) zugelassener Trailer angehängt werden; diese sog. gemischte Führung („aggancio misto“) sei nämlich nur bei internationalen Transporten zulässig. Zudem wurde immer dann von einem nationalen Transport ausgegangen, wenn die Beförderung auf der Straße zur Gänze auf italienischem Staatsgebiet erfolgen sollte (Ausnahmen gelten nur beim Intermodaltransport und beim Kabotagetransport).

Die entsprechenden Strafen wurden zwar mehrfach von den Gerichtsbehörden für rechtswidrig erklärt und aufgehoben, viele Polizeibehörden halten aber nach wie vor fest an der Unzulässigkeit der sog. gemischten Führung fest.

2. Die konkreten Änderungen durch die Novelle per Gesetz Nr. 103/2023 (zur Umsetzung der EU-Richtlinie Nr. 738/2022)

Vorwegzunehmen ist, dass die Novelle durch Gesetz Nr. 103/2023 nichts daran geändert hat, dass ein nationaler Transport nur von einem Frächter durchgeführt werden darf, der ins italienische Verzeichnis der Transportunternehmer eingetragen ist (Ausnahmen gelten wiederum nur Intermodaltransport und beim Kabotagetransport).

In der Sache selbst hat das Gesetz Nr. 103/2023 zudem auch nicht die fraglichen Bestimmungen des Gesetzes Nr. 298/1974 (und ebensowenig den Art. 88, Abs. 3 StVO, welcher auf letztgenannte Bestimmung verweist) ausdrücklich aufgehoben; abgeändert wurde vielmehr rein der Art. 84 StVO, welcher spezifisch die Vermietung von Fahrzeugen ohne Fahrer regelt.

Die wichtigsten Änderungen betrafen themenbezogen bezogen den Abs. 2 und Abs. 3 des Art. 84 StVO:

Laut früherer Fassung des Abs. 2 des Art. 84 StVO konnte ein Transportunternehmen mit Sitz in einem EU-Land im Rahmen von internationalen Transporten innerhalb der EU-Grenzen regulär angemeldete Fahrzeuge bzw. Anhänger von Unternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Land anmieten. Mit der Neuformulierung des Art. 2 ist nun die Einschränkung auf internationale Transporte ausdrücklich aufgehoben worden; allerdings ändert dies in der Praxis nicht sehr viel, da ein Frächter, welcher nicht in das italienische Verzeichnis der Transportunternehmer eingetragen ist, so oder so nur internationale Transporte (sowie Intermodaltransporte oder Kabotagetransporte) durchführen darf.

Der nachfolgende Abs. 3 regelt hingegen den Fall italienischer Frächter, welche auch nationale Transporte grundsätzlich uneingeschränkt durchführen dürfen: Selbige dürfen nunmehr Lastkraftwagen, Zugmaschinen, Anhänger und Sattelanhänger, Lastzüge und Sattelschlepper verwenden, wenn deren Verfügbarkeit durch einen Mietvertrag zustande gekommen ist und die fraglichen Fahrzeuge im Eigentum eines Unternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union stehen.

Im Vergleich zur früheren Formulierung hat diese Bestimmung zweierlei bedeutende Änderungen erfahren: Zum einen war vor der Novelle 2023 die Vermietung auf Lastkraftwagen, Anhänger und Sattelanhänger sowie Lastzüge und Sattelschlepper begrenzt, nunmehr ist dies auch bei Zugmaschinen („trattori“) zulässig. Zudem war vor der Novelle 2023 die Vermietung nur dann zulässig, wenn auch der Eigentümer der angemieteten Fahrzeuge einem ins italienische Frächterverzeichnis eingetragenen Frächter gehörten; dies ist inzwischen nicht mehr nötig, sprich die Fahrzeuge können auch einem ausländischen Unternehmen gehören (sofern innerhalb der EU niedergelassen).

Problematisch an dieser Reform ist nun allerdings folgender Umstand: Die innerstaatlichen Normen (Art. 84 StVO) erklären zwar die „Benutzung“ von in dieser Form angemieteten Fahrzeugen ohne Fahrer für zulässig, allerdings wird nicht geklärt, ob dies dann generell auch bei rein nationalen Transporten möglich ist oder ob hierbei immer noch die Einschränkungen des Art. 41 des Gesetzes Nr. 298/1974 gelten (siehe dazu oben unter Punkt 1). Dem Sinn und Zweck der EU-Richtlinie Nr. 738/2022 entspräche sicherlich eher die erstgenannte Auslegung, aber es werden wohl erst die polizeiliche Praxis und etwaige gerichtliche Entscheidungen mehr Klarheit bringen können.

3. Die neuen Formvorschriften des Art. 84 StVO zur Anmietung von Fahrzeugen

Im Rahmen der Vermietung eines ausländischen Fahrzeugs müssen jedenfalls folgende Rahmenbedingungen nach Abs. 4-ter des Art. 84 StVO erfüllt sein:

Es muss ein schriftlicher Mietvertrag vorliegen (Bereitstellung eines Fahrzeugs für einen bestimmten Zeitraum gegen Entgelt); die Möglichkeit einer Untervermietung scheint hingegen ausgeschlossen zu sein. Der Mietvertrag darf zudem nur die Bereitstellung des Fahrzeugs ohne Fahrer, Begleit- oder Servicepersonal beinhalten. Das vermietete Fahrzeug darf weiters nur exklusiv dem mietenden Unternehmen zur Verfügung stehen und auch nur für die Dauer des Mietvertrages (dasselbe Fahrzeug kann also nicht an mehrere Unternehmen zugleich vermieten werden, etwa nach dem Prinzip des Time-Sharings). Das vermietete Fahrzeug darf ausschließlich von Angestellten des Mieters geführt werden.

Als Nachweis dieser Voraussetzungen muss gemäß Abs. 4-quater des Art. 84 StVO an Bord des vermieteten Fahrzeuges folgende Dokumentation mitgeführt werden (in Papierform oder in elektronischer Form):

        - Mietvertrag in Original oder in beglaubigter Abschrift;

     - der Arbeitsvertrag des Fahrers (es sei denn der Mieter führt das Fahrzeug selbst, was allerdings in der Praxis wohl lediglich im Rahmen eines Einzelunternehmens oder allenfalls einer Personengesellschaft denkbar ist). 

Hinsichtlich der Sanktionen für die Verletzung der oben genannten Bestimmungen des novellierten Art. 84 StVO ist die innerstaatliche Regelung zwar nicht eindeutig, aber zusammengefasst gelten folgende Grundsatzüberlegungen:

      -          Ist die Vermietung an sich schon unzulässig (weil sie etwa ein Fahrzeug betrifft, welches außerhalb der EU zugelassen ist, oder weil nie ein Mietvertrag geschlossen wurde), so dürften wiederum die Strafen nach Art. 46 des Gesetzes Nr. 298/1974 zur Anwendung kommen (€ 4.130,00 an Geldbuße und dreimonatige Stilllegung des Fahrzeugs).

       -          Werden die Vorgaben des Abs. 4-ter des Art. 84 StVO an den Inhalt des Mietvertrages (wie oben beschrieben) nicht eingehalten, wird eine Geldbuße von € 430,00 bis € 1.731,00 fällig; diese dürfte aber laut Rundschreiben des Innenministeriums vom 05.09.2023 rein den Mieter treffen. Zudem wird in diesem Falle auch die Zulassungsbescheinigung für 2 bis 8 Monate ausgesetzt, was mit einer Stilllegung des Fahrzeugs für denselben Zeitraum einhergeht.

      -          Wird das Original (oder eine beglaubigte Kopie) des Mietvertrages und des Arbeitsvertrages des Fahrers zwar nicht an Bord mitgeführt, aber existiert dieses nachweislich, kommt gemäß dem zitierten Rundschreiben des Innenministeriums vom 05.09.2023 die Bestimmung des Art. 180 StVO zur Anwendung (Geldbuße von € 42,00 bis € 173,00 und Auflage, innerhalb der eingeräumten Frist die fehlenden Unterlagen bei der kontrollierenden Polizeibehörde nachzureichen).

4. Die Anwendbarkeit der Novelle durch Gesetz Nr. 103/2023 bzw. des novellierten Art. 84 StVO auch auf die unentgeltliche Leihe

Die Bestimmungen der EU-Richtlinie Nr. 738/2022 bzw. der EG-Richtlinie Nr. 1/2006 und des Art. 84 der italienischen Straßenverkehrsordnung betreffen nun dem Wortlaut nach immer nur die Miete, also die entgeltliche Bereitstellung einer Sache.

Hinsichtlich der Leihe bleibt in Ermangelung einer ausdrücklichen rechtlichen Regelung nur der Weg einer rechtskonformen Interpretation, allenfalls auch mittels analoger Anwendung einschlägiger Rechtsvorschriften. In dem Zusammenhang kann zunächst das Rundschreiben Nr. 5681 des Transportministeriums vom 16.03.2015 zitiert werden, welches die Leihe eines Fahrzeugs im Rahmen des gewerblichen Güterverkehrs im Interesse Dritter auf der Straße ausdrücklich für zulässig erklärt und zugleich klargestellt, dass der Art. 84 StVO analog auch für die Leihe gilt.

Davon ausgehend, sollte die jüngste Novelle im Prinzip weiterhin im Gütertransport die Verwendung von in einem anderen EU-Staat zugelassenen Fahrzeugen gestatten. Dies ist allerdings mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, denn im Rahmen der Leihe müssen laut dem bereits zitierten Rundschreiben die Vorgaben des vorherigen Rundschreibens Nr. 291 vom 07.12.2011 eingehalten werden: Der Leihvertrag muss demnach registriert und dann dem Motorisierungsamt gemeinsam mit einer Eigenerklärung über die Dauer der Leihe und die Identität des Leihnehmers vorgelegt werden. Diese Eigenerklärung wird vom Motorisierungsamt mit Sichtvermerk versehen und muss bei allfälligen Kontrollen gemeinsam mit dem Arbeitsvertrag des Fahrers den Polizeibehörden vorgelegt werden.

Diese Formvorschriften gelten unabhängig von der Dauer der Leihe (also beispielsweise auch bei einer Leihe mit einer Dauer von bloß einigen Tagen).

Bezogen auf die möglichen Sanktionen bei Verletzung dieser Vorgaben zur Leihe beinhaltet weder die EU-Richtlinie Nr. 738/2022 noch das Umwandlungsgesetz Nr. 103/2023 (welche sich ja beide rein auf die Miete beziehen) irgendwelche Vorgaben, sodass sich im Prinzip zwei Auslegungsvarianten ergeben:

     - Ginge man entsprechend der Logik des Rundschreibens Nr. 5681 des Transportministeriums vom 16.03.2015 davon aus, dass auf die Leihe analog die Bestimmungen laut Art. 84 StVO Anwendung finden, kämen die dort enthaltenen Sanktionen zur Anwendung (siehe dazu oben am Ende unter Punkt 3).

      - Dem entgegen hatte das Transportministerium allerdings in einem früheren Rundschreiben vom 08.05.2006 festgehalten, dass bezogen auf Leihverträge bei jederlei von Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften grundsätzlich die Sanktionen laut Art. 46 Gesetz Nr. 298/1974 zur Anwendung kommen (€ 4.130,00 an Geldbuße und 3 Monate Stilllegung).

      5. Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich aufgrund der Novelle des Art. 84 StVO neue Möglichkeiten unternehmerischen Handelns ergeben haben, zumal die grenzüberschreitende Anmietung von Fahrzeugen (inklusive Zugmaschinen) für zulässig erklärt worden ist. Allerdings sind die damit verbundenen bürokratischen Auflagen dergestalt, dass ein flexibler Einsatz der Fahrzeuge vor allem in großen Unternehmensstrukturen und für einen nur kurzen Zeitraum in der Praxis nur mit erheblichem bürokratischem Mehraufwand umsetzbar ist.

Zudem besteht mangels einer eindeutigen Klärung des Verhältnisses zwischen dem novellierten Art. 84 StVO (zur Miete von Fahrzeugen) und dem Art. 46 des Gesetzes Nr. 298/1974 immer noch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob die Liberalisierung der Vorschriften zur Miete (Art. 84 StVO) rein im internationalen Frachtverkehr zur Anwendung kommen oder ob auch bei nationalen Transporten nunmehr die sog. gemischte Führung prinzipiell zulässig ist, sofern die Regelung des Art. 84 StVO eingehalten werden.

 

 

 

DIE CARTABIA-REFORM: DAS NEUE ZIVILVERFAHREN AM FRIEDENSGERICHT

17.04.2023

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 149/2022 (sog. "Cartabia-Reform") hat auch das zivilrechtliche Verfahren vor dem Friedensrichter erhebliche Neuerungen erfahren.

 1. Einleitende Überlegungen

Die Änderungen am Ritus der Verfahren vor dem Friedensgericht betreffen ein immer breiteres Spektrum zivilrechtlicher Streitigkeiten, da die Grenzen der Zuständigkeit des Friedensrichters wertmäßig ständig erweitert werden. So wurde beispielsweise die Wertgrenze für Rechtsstreitigkeiten betreffend bewegliche Sachen von 5.000,00 € auf 10.000,00 € angehoben; dies ist jedoch nur der erste Schritt einer weitaus bedeutenderen Ausweitung der Zuständigkeit (auch gegenstandsmäßig) des Friedensgerichts, welches mit der Reform der ehrenamtlichen Richterschaft (Gesetzesdekret Nr. 116/2017) einhergeht und im November 2025 in Kraft treten wird.

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2. Der neue Ritus des Zivilprozesses vor dem Friedensrichter

 Der neue Zivilprozess am Friedensgericht ist nunmehr dem vereinfachten Verfahren (vor dem ordentlichen Gericht) gemäß Artikel 281-decies ff. ZPO nachgebildet, wobei jedoch einige weitere verfahrensrechtliche Vereinfachungen eingeführt wurden.

 Die wichtigsten Änderungen sind in aller Knappheit folgende:

 Einleitungsphase:

 Die vielleicht auffälligste Änderung betrifft die Form es einleitenden Schriftsatzes, welcher nun nicht mehr eine Klageschrift, sondern ein Rekurs ist; dessen Inhalt jedoch im Hinblick auf die essenziell notwendigen Elemente (Angabe des Richters und der Parteien sowie Darstellung des Sachverhalts und des Gegenstands des Anspruchs) keine besonderen Neuerungen gegenüber der Vergangenheit aufweist.

 Nach Einreichung der Klageschrift setzt der beauftragte Richter mittels den Termin der Erstverhandlung (innerhalb von fünf Tagen nach Einreichung des Rekurses) sowie die Frist für das Erscheinen des Beklagten fest (10 zehn Tage vor der Erstverhandlung).

 Das Dekret (und der entsprechende Rekurs) muss der Kläger dem Beklagten mindestens vierzig Tage (bzw. sechzig Tage bei Zustellung im Ausland) vor dem Verhandlungstermin zustellen, mitsamt anschließender Hinterlegung des zugestellten Dekrets samt Rekurs zum Zwecke der Einlassung.

 Dem Beklagten obliegt es dann, innerhalb der oben genannten Fristen seinen Einlassungs- und Antwortschriftsatz zu hinterlegen, mit welchem er seine Verteidigung darlegt, spezirisch zu den Ausführungen des Klägers Stellung nimmt, seine Beweismittel vorbringt sowie – bei sonstigem Verfall – die Einwände im engeren Sinne, die Widerklagen und etwaige Streitverkündungsanträge formulieren muss. 

Erstverhandlung (samt Schlichtungsversuch) sowie Behandlungs- und Beweisaufnahmephase (falls notwendig):

 Bei der Erstverhandlung muss der Richter einen Schlichtungsversuch unternehmen. Scheitert dieser, wird mit der Behandlung der Streitsache und der Beweisaufnahme gemäß den Bestimmungen des vereinfachten Verfahrens fortgefahren. In aller Knappheit: Der Kläger kann die Erlaubnis zur Streitverkündung an Dritte beantragen, wenn sich die Notwendigkeit aus der Verteidigung des Beklagten ergibt, und alle Parteien können die Einwände im engeren Sinne sowie etwaige Widerklagen vorbringen, sofern sie durch die Widerklage oder die Einwände notwendig geworden sind. Auf Antrag der Parteien kann der Friedensrichter (gemäß dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nur bei Vorliegen eines berechtigten Grundes, weshalb es ratsam wäre, die Beweisanträge bereits im jeweiligen ersten Schriftsatz vorzubringen) den Parteien eine Frist von höchstens zwanzig Tagen zur Präzisierung und Änderung der Anträge, Einwände und Schlussanträge, zur Angabe der Beweismittel und zur Vorlage von Dokumente sowie eine weitere Frist von höchstens zehn Tagen für Erwiderungen und Gegenbeweise gewähren.

 Entscheidungsphase

 Die anschließende Entscheidungsphase entspricht im Wesentlichen dem Modell der mündlichen Verhandlung vor dem Landesgericht, wie diese in Artikel 281-sexies ZPO geregelt ist. Nachdem die Parteien ihre Schlussanträge präzisiert haben, lädt der Richter in derselben Verhandlung (oder – auf Antrag der Parteien – in einer anderen Verhandlung) die Parteien zur mündlichen Diskussion der Rechtssache ein. Am Ende der Diskussion kann der Richter entweder sofort das Urteil verkünden, indem er Entscheidungsspruch sowie die Zusammenfassung der sachlichen und rechtlichen Gründe für selbige verliest, oder sich vorbehalten, das Urteil innerhalb von fünfzehn Tagen zu hinterlegen.

 3. Die Digitalisierung des Verfahrens am Friedensgericht

Abschließend sei noch angemerkt, dass die Cartabia-Reform (nebst der Ausweitung der Zuständigkeit des Friedensgerichts sowie der Einführung eines neuen Zivilrecht-Ritus für die Verfahren vor selbigem) weiters die Einführung des sog. telematschen Zivilprozess auch an den Friedensgerichten vorsieht.

Für Verfahren, die ab Juli 2023 eingeleitet werden (vorausgesetzt, die erforderliche IT-Infrastruktur konnte bis zu diesem Zeitpunkt errichtet werden), soll nämlich die Hinterlegung von Schriftsätzen und die Einsichtnahme in selbige (und in die Verfügungen des Richters) ausschließlich auf telematischem Wege erfolgen, wie dies bereits bei Verfahren den Landesgerichten und vor den Berufungsgerichten der Fall ist.